Montag, 27. Juli 2015

Kloster und Schloss Salem | Ausstellungen AUSSTELLUNGSPARCOURS „AM RECHTEN ORT“

Beitrag von Dr. Carla Mueller, Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, zuständig für Kloster und Schloss Salem. Auszug aus der aktuellen Ausgabe des Magazins „Schlösser Baden-Württemberg“ 3/2015.

„Am rechten Ort“. 38 Kostbarkeiten für Kloster und Schloss Salem

Beitrag von Dr. Carla Mueller, Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, zuständig für Kloster und Schloss Salem.
Auszug aus der aktuellen Ausgabe des Magazins „Schlösser Baden-Württemberg“ 3/2015.

KUNSTWERKE DES 15. BIS 18. JAHRHUNDERTS
38 Kunstwerke stehen in diesem Jahr ab dem 28. Juli im Zentrum der Aufmerksamkeit in Kloster und Schloss Salem. Es sind herausragende künstlerische Arbeiten, die aus der Zeit vom 15. bis zum 18. Jahrhundert stammen, als die Reichsabtei Salem eines der bedeutendsten und reichsten Zisterzienserklöster im mittleren Europa war. Dank der Baden-Württemberg Stiftung konnten diese Objekte für das Land Baden-Württemberg erworben werden und verblieben deshalb auch bei dem Verkauf der Anlage in Salem „Am rechten Ort“, wo sie seit jeher standen und einst zum Alltag der Salemer Zisterzienser gehörten. Zahlreiche Kunstwerke aus der Klosterzeit haben seit der Neupräsentation von Kloster und Schloss Salem im Jahr 2014 neue Plätze gefunden, so etwa auch die faszinierende Augsburger Silberfigur des heiligen Michael, die zu den hier relevanten Objekten gehört. Sie konnte zusammen mit einer Auswahl anderer wegweisender Werke in der Dauerausstellung „Meisterwerke der Reichsabtei“, einem Zweigmuseum des Badischen Landesmuseums Karlsruhe, präsentiert werden.

AUSSTELLUNGSPARCOURS ERSCHLIESST DEN ZUGANG
Die Besucher werden diese ausgewählten Exponate auf eigens eingerichteten Stationen eines gesonderten Ausstellungsparcours finden, an denen die Besonderheiten der Kunstwerke kurz vorgestellt werden und ihre Bedeutung in der Entstehungsepoche umrissen wird. So ergibt sich ein Parcours durch die jahrhundertelange Geschichte des Klosters, auf dem man faszinierenden Neuigkeiten und überraschenden Facetten von Salem begegnet.

IM MÜNSTER: FIGUREN AM SAKRAMENTSHAUS
Einige der Meisterwerke stehen im Münster. Die ehemalige Kloster- und heutige Pfarrkirche ist das bedeutendste Zeugnis der einstigen Zisterzienserabtei aus der Zeit des Mittelalters, das heute im Innern eine große Fülle an Mobiliar über alle Zeiten hinweg zeigt. Die Kirche selbst wurde zwischen 1282 und 1311 erbaut und erst etwas mehr als 100 Jahre später – immer noch unvollendet – eingeweiht. Ende des 15. Jahrhunderts entschloss man sich zu einer grundlegenden Neuerung im Chorbereich. Von der hochgotischen Ausstattung im Münster ist allerdings nur wenig erhalten geblieben, u.a. das mehrgeschossige Turmgebilde in spätgotischen Formen, das in der Nähe des Hochaltars aus dem 18. Jahrhundert steht, das sogenannte Sakramentshaus. Die figürlichen Werke aus Holz stammen aus einer der berühmtesten Künstlerzentren der gotischen Zeit, der Ulmer Schule, zu der auch die mittelalterliche Schnitzwerkstatt des Michel Erhart gehört, die vor und nach 1500 in der Reichsstadt nachweisbar ist. Die Holzfiguren gehörten – wie aktuelle Untersuchungen in aller Deutlichkeit gezeigt haben – von Anfang an zum Salemer Sakramentshaus, das einschließlich der vorhandenen Steinfiguren 1494 von der Steinmetzwerkstatt um den Meister Hans von Savoi geschaffen worden ist. Es stand ursprünglich weiter östlich zwischen dem gotischen Altarraum und dem hallenartigen Chorumgang in unmittelbarer Nähe zum gleichzeitig geschaffenen Hochaltar, an dessen Stelle sich heute der ehemalige Mönchschor befindet. Gleichzeitig bildete der übergroße Tabernakel ein Monument des Sakraments der Hostie über dem Grab des 18. Salemer Abtes Johannes Stantenat (Abt 1471-1494), der das Tabernakel ein paar Jahre zuvor in Auftrag gegeben hatte. In der Mitte des 18. Jahrhunderts versetzte man den Turm einschließlich der Figuren an seine heutige Stelle und passte ihn mit ein paar wenigen zeitgenössischen Elementen und einem neuen Treppensockel an den ausgewählten Standort im nördlichen Querhaus an. Joseph Anton Feuchtmayer schuf dafür die Wolkenreliefs mit den Putten. Diese Integration des Sakramentshaues im 18. Jahrhundert zeugt von einer großen Wertschätzung für das spätgotische Kunstwerk. Um es an der jetzigen Stelle aufzurichten, musste das vorher hier gelegene Nordportal des Münsters aufwendig ein Stück weit nach Westen versetzt werden. Weiterhin ist bemerkenswert, dass, entgegen der Liturgiepraxis in barocker Zeit, nach der sich ein Tabernakel seit dem Konzil von Trient (1545-1563) im Altar selbst befand, die Salemer Zisterzienser die althergebrachte Tradition eines eigenwertigen Sakramentshauses zur Aufbewahrung der geweihten Hostien pflegten.

RESTAURIERUNG DER FIGUREN AM SAKRAMENTSHAUS
Die übereinander angeordneten Figurengruppen des Sakramentshauses konnten von den Restauratoren nicht nur in ihren Farbfassungen präzisiert, sondern auch in Bezug auf die dargestellten Personen weiter zugeordnet werden. Über den steinernen Evangelistenfiguren stehen die Heiligen Petrus, Paulus, Stephanus, ein Diakon, Johannes der Evangelist und Johannes der Täufer sowie Benedikt von Nursia und vermutlich Bernhard von Clairvaux. Sie alle bewachen das Hostienbehältnis. Darüber schweben vier Engel mit den Leidenswerkzeugen Christi. Des Weiteren sind die heiligen Frauen Katharina, Agnes und wahrscheinlich Agatha vertreten. Es wird vermutet, dass das Sakramentshaus ursprünglich mit 20 Holzfiguren besetzt war.

DAS CHORGESTÜHL IM MÜNSTER
In den Jahren kurz vor 1600 wurde ein beeindruckendes Chorgestühl gefertigt, das 100 Sitze für die Zisterziensermönche aufwies und von dem heute noch zwei zusammenhängende Stücke mit je fünf Stallen und neun Einzelbüsten dank der Baden-Württemberg Stiftung in Salem erhalten werden konnten. In einem Mix aus gotischen Formen und antikisierenden Motiven, dazu an der Rückwand eines jeden Platzes ein Büstenrelief einer christlichen Persönlichkeit, schuf die Werkstatt von Melchior Binder aus Hundersingen dieses Werk. So entstand eines der Hauptwerke des süddeutschen Manierismus. Der Auftrag für dieses neue Chorgestühl, den Abt Christian II. Fürst erteilte, steht wohl in Verbindung mit dem Bestreben der Salemer Abtei, ein zentrales Collegium einer Oberdeutschen Kongregation der Zisterzienser in Salem zu gründen, was 1619 dann auch gelang. Aktuelle wissenschaftliche Recherchen konnten weit verstreut publiziertes Material zusammentragen und Interessantes zum Werk selbst und zur inhaltlichen Deutung der figürlichen Büstenreliefs beisteuern. Für diesen Ort der Mönche in der Klosterkirche wählte man ausschließlich heiliggesprochene Personen, die im Dienste Gottes gewirkt hatten.

DIE BERÜHMTEN HISTORISCHEN FEUERSPRITZEN VON SALEM
Zu den 38, für die Klostergeschichte Salems herausragenden Objekte zählen auch die beiden Feuerspritzen der Konstanzer Glockengießerwerkstatt, die nach dem Wiederaufbau der im Jahr 1697 abgebrannten Prälatur in Salem bestellt worden waren und in der zisterziensischen Feuerwache standen. Die besonders wertvollen Gefährte bildeten einen wichtigen Grundstock für das Salemer Feuerwehrmuseum und gelten als feste Größe in der süddeutschen Geschichte der Technik.

KONSOLTISCHE IM ABTSAPPARTEMENT
Einige Jahrzehnte nach dem Wiederaufbau der Prälatur entstand im erneuerten Abtsappartement, das im zweiten Obergeschoss nördlich des Kaisersaals liegt, 1764/65 ein Raumkunstwerk im neuen Wohnkabinett des Abtes Anselm II., das im Südwesten seinesgleichen sucht. In diesem Zusammenhang wurden drei außergewöhnliche Konsoltische geschaffen, die eine für das Rokoko typische Form von artifizieller Virtuosität zeigen und das Raumensemble stark prägen.

SILBER UND GOLD: DIE FIGUR DES ERZENGELS MICHAEL
Ein ganz besonderes Kunstobjekt stellt die solitäre Michaelsfigur dar, ein Erzengel Michael über einem besiegten Drachen, die, wie bereits erwähnt, seit 2014 im neuen Klostermuseum zu sehen ist und nach wie vor zu liturgischen Zwecken im Münster verwendet werden darf. Das Werk ist eine Augsburger Goldschmiedearbeit des Georg Ignaz Baur aus den Jahren 1769 bis 1771. Eine genaue Untersuchung der Figur brachte wesentliche Aspekte hervor, die ihren solitären Platz in der Salemer Klostergeschichte unterstreichen.

BRONZEKANDELABER IM MÜNSTER
Verbleiben noch die sechs monumentalen Bronzeleuchter, die den sowohl auf den Mönchschor als auch auf das Kirchenschiff hin ausgerichteten Hochaltar in der Vierung des Salemer Münsters zieren. Beim Bau dieses Altars in den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts lehnten sich der Salemer Abt und der Konvent an französische Kirchenausstattungen jener Zeit an, die Abt Anselm auf seinen zahlreichen Reisen nach Burgund und auch nach Paris gesehen hatte. Die Leuchter stehen neben dem Tempietto (Tempelchen), mit dem sie zusammen eine Durchsicht nach Osten hin schaffen. Sie wurden von dem klostereigenen Bildhauer Johann Georg Dirr, nicht mehr Joseph Anton Feuchtmayer, entworfen und in der klostereigenen Werkstatt gegossen.

Anhand dieser Highlights epochenübergreifender Objekte lässt sich die Salemer Klostergeschichte in all ihren Etappen gut nachvollziehen. Der Parcours lädt die Besucher ein, diesen Überblick für sich zu entdecken.

Text: Dr. Carla Mueller
Auszug aus: „Schlösser Baden-Württemberg“ 3/2015. Staatsanzeiger-Verlag

Download und Bilder